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Kennt nicht jeder diese Gespräche, in denen man mal unter vier Augen etwas Schlaues sagt und dann ist es auch schon wieder vorbei? Man wünscht sich, es wäre der ganze Deutsche Bundestag anwesend gewesen und hätte gleich anschließend ein neues Gesetz beschlossen - inspiriert von diesem einen Lichtblick! Man möchte es für immer festhalten, ja sogar aufschreiben, damit andere es auch hören! Aber diesmal schreibe ich es auf...
Zur Frage der Patentfreigabe für COVID-19-Impfstoffe führte ich mit meinem männlichen Kollegen das folgende Gespräch:
Kollege: „Wenn Impfstoffpatente freigegeben würden, hätte die Forschung doch keinen Anreiz mehr, neue Impfstoffe zu entwickeln. Forschung muss sich doch auch lohnen, sonst macht es keiner mehr. Wo wären wir dann?“
Ich: „Mutterschaft lohnt sich ja auch nicht und dennoch machen es viele – sozusagen ehrenamtlich. Wo kämen wir hin, wenn Frauen keine Kinder mehr bekämen, weil es sich finanziell nicht lohnt?“
Kollege: „Das kannst du doch nicht vergleichen. Kinder bekommt man doch nicht für Geld, sondern weil man sie liebt.“
Ich: „Mit Liebe allein bekomme ich aber meine Familie nicht satt und mein Haus nicht finanziert.“
Kollege: „Das stimmt wohl. Aber trotzdem bist du doch gerne Mutter. Dazu hat dich niemand gezwungen und du hast mit deinem B. doch viel Freude. Willst du dafür jetzt ernsthaft eine Bezahlung verlangen?“
Ich: „Die Forscher in der Pharmaindustrie sind sicher auch gerne Forscher und haben ihren Beruf freiwillig ergriffen. Man möchte hoffen, dass sie sogar Freude an ihrer Arbeit haben. Sollen sie dann also ernsthaft noch bezahlt werden?“
Aha… wenn also materielle Anreize notwendig sind, um Menschen aktiv werden zu lassen, dann frage ich mich schon, wie so manche Dinge in der Menschheitsgeschichte eigentlich funktionieren konnten. Wurde das Rad erfunden, weil der Erfinder durch die Aussicht auf ein besonders dickes Stück Fleisch motiviert wurde? Oder durch Gold? Was war die Erfindung des Rades wohl wert? Hatte Gold überhaupt schon einen Wert zu jener Zeit, als Essbares wohl eher noch im Mittelpunkt des Interesses stand? Vielleicht bestand der Wert der Erfindung damals aber vielmehr darin, dass sie dem Menschen das Leben erleichterte und seine Chancen erhöhte, das Verhältnis von Kalorienzufuhr und Arbeitsverbrauch zu optimieren…
An diese Idee möchte ich glauben: dass der Mensch nicht allein durch materielle Anreize motivierbar ist, sondern eigentlich von Natur aus nach Entwicklung strebt, die unser Leben besser macht und der nächsten Generation eine Nasenlänge Vorsprung verschafft. In diesem Glauben bekommen Familien Nachwuchs und versorgen ihn so gut wie möglich mit Nahrung, Bildung und Liebe. Eltern verzichten auf Bequemlichkeit und materiellen Gewinn, um dem Nachwuchs einen guten Start zu ermöglichen und ihn beinahe rund um die Uhr mit ganzer Hingabe zu betreuen. Dass sie damit auch der Gesellschaft dienen, die ihre Arbeit nicht einmal so sehr würdigt, wie die eines Forschers mit 40-Stunden-Woche und Tariflohn, blenden sie großzügig aus.
In diesem Sinne sollten wir vielleicht endlich anfangen, auch in anderen Bereichen diesen Maßstab anzulegen, der für Eltern und Kinder schon immer gilt: Menschen sollten für Menschen arbeiten, nicht für Geld. Geld regiert die Welt – aber es gab eine Zeit vor dem Geld und es wird eine Zeit nach dem Geld geben. Es bleibt die Frage, wie wir dahin kommen.